Die letzte, vierte Pilgertour war die längste mit etwas über 100 Kilometern an fünf Tagen. Doch wir hatten uns am letzten Tag nicht gleich wieder auf den Heimweg begeben, sondern übernachteten im Kloster Volkenroda. Eine kleine Andacht im Christus-Pavillon der Expo, der in Volkenroda als Teil des Klosters wieder aufgebaut wurde, schloss unseren Weg ab. Die Klosterführung, und ein sehr entspannter Abend mit viel Musik dank der für einen Gospelworkshop versammelten vielen Musiker war ein wunderbarer Ausklang unserer Pilgerreise.
Vor drei Jahren, im Mai 2013, sind wir im Kloster Loccum aufgebrochen und hatten bisher jedes Jahr ca. 80 Kilometer in vier Tagen zurückgelegt.
Darum, unbedingt Volkenroda zu erreichen, ging es aber nie. Jeder Tag auf den vier Pilgertouren war ein unverwechselbares Erlebnis. Jeder „Pilgertag“ begann mit einer kleinen Andacht und schloss auch damit ab kurz vor oder in der Unterkunft . Unterwegs war der Rucksack (maximal 10 Kilo sollten es sein) als einzige Gepäck selber zu tragen. Auf den täglichen 20 bis 25 Kilometern war der Rucksack schon eine gewollte Herausforderung. Pilgerbegleiter, besonders die durchgehende Begleitung von Hameln nach Volkenroda durch Herrn Reinhard Hahn, sorgten dafür, dass wir die Besonderheiten, Kirchen und Kapellen, Orte und Geschichte wahrnehmen konnten. Er lud in kleinen Pausen durch Gedichte, Literaturzitate oder Erzählungen auch immer wieder zur Besinnung ein. Die Natur, die wechselnden Landschaften, taten ihr Übriges. Dazu gab es Begegnungen: ein Radfahrer, der zum Nordkap unterwegs war oder Biologiestudenten der Uni Göttingen, die ihr Forschungsprojekt erläuterten. Außerdem Milchautomaten am Wege und liebevoll gestaltete und versorgte Pilgerstationen in vielen Kirchen, ab und zu mit kleinen Überraschungen für die Pilger. Ein besonderes Erlebnis war im Stift Fischbeck die Begegnung mit einer 92-jährigen Stiftsdame, die unsere Pilgergruppe durch das Damenstift führte und mit klarer und kräftiger Stimme im Stiftsgarten Goethe's „Ginkgo biloba“ rezitierte.
Es war nicht immer leicht, bei der Planung passend zu den Abschnitten des Weges ein Quartier für 12 bis 15 Pilger zu finden. Aber wir wurden überall überraschend gut – manchmal geradezu familiär aufgenommen, und wurden beim abendlichen warmen Essen, das preiswert sein sollte, immer wieder von ganz besonderen Zubereitungen und guter Kochkunst überrascht.
Zu den ersten drei Touren kamen jeweils neue Pilgerbrüder dazu. Schon nach wenigen Kilometern am ersten Tag stellte sich ein gutes Miteinander in der Gruppe ein, zu dem dann auch das freie, entspannte Gespräch am Abend beitrug. Vertrauen und gegenseitige Hilfsbereitschaft waren in diesen Tagen überall greifbar.
Unfälle hatten wir keine erleben müssen. Aber dass die Kräfte an ihre Grenzen kamen, so dass einzelne beschlossen, den Weg abzubrechen, und dass Blasen an den Füßen und gesundheitliche Einschränkungen einzelne Pilger dazu rieten, den Weg nicht ganz zu Fuß zurück zu legen, haben wir erlebt.
Es ist eine wirkliche Herausforderung, sich mit Gott und vielen Männern auf solch einen Weg zu machen – ein kleines Abenteuer. Doch die Geborgenheit, die wir erleben durften, der Reichtum des Lebens um uns herum, genauso wie der Reichtum der Hoffnung vieler Menschen, die sich in den Kirchen, Symbolen und Geschichten niederschlägt, und der Reichtum der Sorge und Nächstenliebe, die in der Gruppe herrschen hat jedem Pilgertag seinen besonderen Sinn gegeben. Alles das haben wir aufgenommen. Auf alles das haben wir dankbar mit unserer Hoffnung, mit unserer Liebe und unserer Sorge geantwortet.
Ich glaube, dass die Teilnehmer an unseren Touren nicht nur ihren Pilgerpass voller Stempel der verschiedenen Stationen und Kirchen mit nachhause bringen, sondern viel mehr noch diesen Reichtum, den sie jeden Tag aufnehmen konnten. Unser Pilgerbruder Erich Quade resümierte am Ende der Reise: „Was wir gesehen haben, bietet kein Reisebüro an.“
Das Ziel des Pilgerweges ist nicht Volkenroda. Das Ziel ist es, zu erleben, wie wir jeden Tag vielfältig von Gott beschenkt werden -- um daraus Kräfte zu sammeln für den langen Pilgerweg des Lebens.
Uwe Büttner, Beauftragter für die Männerarbeit im Kirchenkreis Burgdorf