Etappe 1 vom Kloster Loccum zum Kloster Mariensee
Als Pilgerbegleiterin bin ich jetzt eigentlich mit Pilgergruppen unterwegs.
Durch Corona ist alles anders. Alle Angebote mussten abgesagt werden. Also nahm ich mir vor, eine Radtour der besonderen Art zu unternehmen. Die Schönheit der Natur wahrnehmen, Gedanken kommen und wieder gehen zu lassen, mit Gott ins Gespräch kommen, in der Stille der vielen Kirchen am Weg. Das war mein Ziel.
Ich starte im Kloster Loccum. Die Tür zur Kirche ist bereits geöffnet. Nach einem stillen Morgengebet und dem Anzünden einer Kerze mache ich mich auf den Weg. Am Pilgermal „Anfang und Ende“, dem Beginn des Pilgerwegs Loccum-Volkenroda verweile ich kurz. Sieben Säulen symbolisieren ein Rad: Drei Säulen sowie die Hälfte des Rings sind in Loccum, vier mit der anderen Ringhälfte erwartet den Pilger am Ziel in Volkenroda. Die Skulptur steht für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Hier am Pilgermal treffen drei Pilgerwege zusammen. Der Hauptweg Loccum-Volkenroda, der Nebenweg “Kloster Mariensee“ und der Sigwardsweg.
Ich entscheide mich für den Pilgerweg „Kloster Mariensee“. Er ist insgesamt 82 km lang und führt als Rundweg großflächig ums Steinhuder Meer. Als Fußpilger sind es vier Etappen. Ich nehme mir für den Weg zwei Radetappen vor.
Der Weg führt durch den Klosterforst zu den Resten der Luccaburg. Die Burg wurde von dem Grafen von Hallermund errichtet. Dieser schenkte den Zisterzienser Mönchen ein Stück Land, auf dem heute das Kloster Loccum steht. Von hier aus folge ich der Beschilderung nach Münchehagen. Wo einst eine Friedhofskapelle des Klosters stand, wurde 1713 auf Anordnung des Abtes und des Konvents eine kleine Dorfkirche aus massivem Felsstein errichtet. Sie lädt mit seiner schattigen Linde zu einer kurzen Rast ein. Weiter geht’s nun bergan in die Rehburger Berge. Rechts sehe ich den Dinopark mit seinen riesigen Nachbildungen der Urtiere. Bald geht’s schon wieder bergab und ich bin in Bad Rehburg. Hinter den historischen Kuranlagen befindet sich die Friederikenkapelle, die König Ernst August 1842 zum Andenken an seine verstorbene Frau Königin Friederike stiftete.
Ich folge dem Weg weiter durch den Wölpinghauser Berg, vorbei an dem Wilhelmsturm, einem historischen Aussichtsturm aus dem Jahr 1846-1848. Er wurde nach dem Grafen Wilhelm zu Schaumburg-Lippe benannt. Weiter durch die frische Natur geht es wieder bergab, bis zu dem Ort Wölpinghausen. Nun fahre ich an der Straße entlang, bis ich kurz vor Bergkirchen an dem linken Bergrücken das moderne Jahrtausend-Kreuz von der Künstlerin Regina Piesbergen aus dem Jahr 2000 sehe. Auf einer Informationstafel vor dem Kreuz erklärt die Künstlerin den theologischen Hintergrund der Umsetzung. Das Kreuz in der Landschaft und der Blick ins Tal wirkt auf mich beruhigend und kraftschöpfend. Hier verweile ich einen Moment mit Gott.
Mein nächster Halt ist die St. Katharinenkirche in Bergkirchen. Die Kirche ist geöffnet. Ich genieße die Stille in dieser schönen kleinen Kirche, eine der ältesten Kirche der Landeskirche Schaumburgs. Hinter der Kirche steht ein Steinaltar. Von dort lohnt sich ein Blick über das Steinhuder Meer. Was für ein Genuss!
Von Bergkirchen aus führt der Weg über den Düdinghäuser Berg, durch den Hagenburger Wald in den Ort. In dem kleinen Dorfteich plätschert eine Wasserfontaine. Gleich nach dem Ortsausgang komme ich in den Rhododendronpark des Hagenburger Schlosses. Leider ist die Blüte schon vorbei. Hinter dem Schloss folge ich dem Weg am Hagenburger Kanal entlang. Links und rechts sind kleine Fischteiche angelegt. In der Ferne sehe ich schon das Ufer des Steinhuder Meeres, was ich bald erreiche.
Mittendrin die Insel Wilhelmstein, an der gerade ein weißes Segelboot vorbeifährt. Der Pilgerweg führt jetzt bis in den Ort am Meer entlang. In der Ortsmitte steht die Petruskirche. Sie wurde von 1804 bis 1854 gebaut. Die Einwohner hatten damals wenig Geld und so konnten sie nur einen unverputzten Bau aus Bruchsteinen aus der Umgebung mit einfachen Rechteckfenstern errichten. Trotz der Sparsamkeit bei der Materialwahl wurde der Bau durch Geldmangel erschwert und zog sich über ein halbes Jahrhundert hin. Auf der alten Meerbahntrasse fahre ich vorbei an der restaurierten Holländermühle Paula bis nach Großenheidorn und komme zur St. Thomaskirche. Der kleine Bruchsteinbau aus dem Jahr 1691 mit einem dreiseitigen Chorschluss ersetzte eine ehemalige Kapelle am gleichen Ort. Von hier radele ich weiter durchs Feld, ein kleines Stück am Fliegerhorst vorbei nach Poggenhagen zur Bonifatiuskirche. Auf der Kirchturmspitze glänzen Sonne, Mond und Sterne. Sie erinnern an den vierten Tag der Schöpfung. Die Sonne für den Tag, Mond und Sterne für die Nacht. Die Dachkonstruktion der Kirche wird von jeweils sieben türkiesblauen Säulen getragen. Sie symbolisieren die Schöpfungsgeschichte. Auch die schlichte Innenarchitektur erzählt vom Bewahren der Schöpfung, dem sicheren Boot im Strom des Lebens. Ich setze meine Radtour fort und sehe in der Ferne das Neustädter Krankenhaus. Der Pilgerweg folgt dem Leineufer bis zum Krankenhauspark mit dem kleinen Teich und weiter nach Neustadt. Ich entscheide mich für einen Abstecher zum Schloss. Leider ist der Zugang wegen Bauarbeiten gesperrt. Der Amtsgarten mit seinem 250-jährigen Laubengang ist jedoch ein Besuch wert. Mein Weg führt weiter zur nahegelegenen Liebfrauenkirche. Leider ist Sie ist wegen der Coronakrise noch geschlossen. Die Kirche wurde im 13. Jahrhundert als romanische Basilika errichtet. Um 1500 wurde sie von Herzog Erich I. erneuert und „gotisiert“. Erst im 19. Jahrhundert wurde der heutige Turm gebaut. Ich folge dem Pilgerweg weiter durch die Fußgängerzone in einen schönen Park mit einem kleinen Hügel, dem Erichsberg. Hier steht noch der Rest der Renaissance-Bastion aus dem 16. Jahrhundert. Der Pilgerweg führt weiter über Feldwege nach Empede. Von dort fahre ich auf dem Radweg in Richtung Mariensee, bis es links in den herrlichen Klosterwald geht. Am Ende erreiche ich Mariensee. Nach einem Wohngebiet sehe ich schon die Klosteranlage, das heutige Ziel meiner Pilgertour. Das Kloster ist ein evangelisches Frauenkloster. Es ist eins der fünf Calenberger Klöster und wird von der Klosterkammer verwaltet. Ich gehe durch den Kreuzgang in die geöffnete Klosterkirche, eine frühgotische Backsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert. Die Kirche ist einschiffig und schlicht gebaut. Am Eingang empfängt mich ein schwebender Engel. An der Wand hängt ein wunderschöner Wandteppich mit dem Thema „das Jüngste Gericht“.
Nach 46 km auf dem Nebenweg Kloster Mariensee endet meine erste Etappe mit wunderbaren Eindrücken.
Etappe 2 vom Kloster Mariensee zum Kloster Loccum
Ausgangspunkt meiner heutigen Pilgertour mit dem Rad ist das Kloster Mariensee.
Mit einem Gebet in der Klosterkirche mache ich mich äußerlich und innerlich gestärkt auf den Weg. Vorbei am kleinen Bach, und einem folgenden Wohngebiet bin ich wieder am Klosterwald. Hier gabelt sich der Pilgerweg und es geht auf neuen Pfaden durch den Wald. An einer Wegkreuzung entdecke ich einen großen Findlingsstein. Hier befindet sich der geografische Mittelpunkt der Stadt Neustadt. Ich setze meine Fahrt fort, durch die schöne Natur, abseits vom Alltagslärm. Die frische Waldluft und die Stille lassen Gedanken kommen und gehen. Nach 4 km bin ich in Eilvese. Ich folge der Ausschilderung des Pilgerweges bis zur Auferstehungskirche. Sie wurde 1063 geweiht. Ein Relief mit der Auferstehung Jesu ziert die Vorderseite des Kirchturms. Die prächtigen Buntglasfenster zeigen die Geschichte von Jesu Leiden, Sterben und seine Himmelfahrt. Von innen sind die Bilder mit Hilfe des einfallenden Lichtes sicher besser zu erkennen, aber leider ist die Kirche geschlossen und ich fahre weiter.
Über einen Feldweg passiere ich die Bundesstraße und komme in ein weiteres Waldgebiet, das Tote Moor. Nach dem Wasserwerk befinden sich links und rechts am Weg Schiessanlagen. Jetzt wird das Fahrradfahren sehr beschwerlich. Sandwege zwingen mich zum Schieben des Rades. Landschaftlich erinnert mich die Strecke an eine Heidelandschaft. Der Boden ist leicht und am Wegrand wächst die Heide, die sicher im Spätsommer zu bewundern ist. Ich komme schließlich zu einem riesigen Torfabbaugebiet. Große Maschinen fräsen die Torfschicht ab, die später zu Blumenerde verarbeitet wird. Das Moorgebiet zieht sich bis nach Mardorf hin. Hier fahre ich durch eine Ferienregion bis ans Steinhuder Meer. Auf der Promenade teile ich nun den Weg mit anderen Radfahrern und Fußgängern. Am Ende der Promenade werfe ich einen Blick über das Meer. In der Ferne der Wilhelmstein und dahinter der Kaliberg. Im Ortskern von Mardorf steht die kleine achteckige Christus-Kapelle. Sie wurde 1721 gebaut und ist das älteste Gebäude des Ortes. Das Fachwerk besteht aus Weidengeflecht, das mit Lehmschlag verkleidet wurde. Auf dem First befindet sich auf einem Dachreiter der Glockenstuhl mit einer Wetterfahne und einer Kugel. Die Kapelle steht in unmittelbarer Nähe des Aloys- Bunge -Platzes. Hier befindet sich auch die Tourist-Information in einem alten denkmalgeschützten Fachwerkhaus. Ich fahre weiter ein Stück auf dem Steinhuder Meer Rundweg und komme ins Naturschutzgebiet. Von einem Aussichtsturm können Naturliebhaber in diesem großen Biotop verschiedene Vogelarten beobachten, die sich hier ungestört entwickeln können.
Ich verlasse den Rundweg und biege nach rechts ab in Richtung Rehburg. In den Meerbruchwiesen beidseitig des Weges grasen Wasserbüffel. Sie werden für die Pflege der Wassertümpel eingesetzt.
Mein nächstes Ziel ist die St. Martinikirche in Rehburg. Wo einst eine alte Holzkirche stand, wurde 1748 diese Kirche eingeweiht. Auf dem Kirchturm befindet sich die erhalten gebliebene Kirchturmspitze aus dem Jahr 1585. 2001 wurde diese Kirche auf ein neues Fundament gesetzt. Das Besondere im Inneren der Kirche ist ein altes Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert, das 1960 wiederentdeckt wurde. In diesem Taufbecken, indem heute noch die Kinder getauft werden, wurden schon die Vorfahren des „Lügenbarons“ Hieronymus Baron von Münchhausen getauft und in die christliche Gemeinde aufgenommen.
Vorbei am Frischli Milchwerk schaue ich mir den Bibelgarten der kath. Kirche St. Marien an.
Über 60 Pflanzen, die in der Bibel genannt werden sind hier neben einem Barfußpfad zu bestaunen.
Am Ortsausgang leitet mich das Pilgerzeichen zur ersten Steigung auf dieser 2. Etappe. Es geht geradeaus bis zum Rehburger Wald. Vorher mache ich einen Stopp an der Klosterruine Asbeke. Fundamentreste weisen auf eine ehemaligen Stiftsanlage aus dem 11. Jahrhundert hin. Hier gönne ich mir eine Pause und genieße die wunderbare Aussicht ins Tal bis zum Steinhuder Meer. Jetzt führt der Pilgerweg wieder bergab in den Rehburger Wald. Nach einer langen Strecke folge ich dem Markierungszeichen, das mich nach links in einen fast zugewachsenen kleinen Pfad führt. Mit dem Rad ist der Weg sehr beschwerlich. Noch über eine schmale Brücke komme ich auf das Gelände der Heimvolkshochschule Loccum.
Ich komme meinem Ziel schon näher. Gegenüber der Einrichtung sind auf einem Golfplatz einige Golfspieler im Einsatz. Der nächste Waldweg steigt wieder leicht an. Am Ende sehe ich in der Ferne den Ort Loccum. Ich folge den Schildern bis zur evangelischen Akademie. Hier führt der Weg über den Parkplatz. Nun sind es nur noch wenige Meter, bis ich das Pilgermal „Anfang und Ende“ sehe. Geschafft! Nach 36 Kilometern auf dem Pilgerweg bin ich am Ziel angekommen.
Zum Abschluss nehme ich noch an der Hora, dem täglichen Abendgebet in der Klosterkirche, teil. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und er sah, dass es gut ist. So beginnt die Bibel mit einer wunderbaren Geschichte. Ich danke Gott dafür, das er mich auf meinem Pilgerweg begleitet und mich sicher ankommen lassen hat.
Gudrun Laqua