Nachdem ich in Deutschland bereits einen Jacobsweg gepilgert bin, reifte in mir der Wunsch den Pilgerweg vom Kloster Loccum zum Kloster Volkenroda zu pilgern.
Im Jahre 1163 machten sich 12 Mönche des Zisterzienserordens mit Ihrem Abt Eckehardt von Volkenroda aus auf den Weg nach Loccum. In Loccum gründeten sie ein neues Kloster. 2005 wurden diese beiden alten Zisterzienserklöster Loccum und Volkenroda durch einen ca. 300 Km langen Pilgerweg wieder miteinander verbunden. Dieser Weg führte entlang der Weser (von Loccum kommend), der Leine und der Unstrut. Über das Wesergebirge, den Vogler, den Solling und das Eichsfeld führt dieser abwechslungsreiche Pilgerweg. Es handelt sich dabei um ein Projekt der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers.
Nach einigen Wochen intensiver Vorbereitung fuhr ich am Mittwoch, dem 05. August, 2015 mit der Bahn von Brügge über Hagen, Minden nach Nienburg und dann weiter mit dem Bus nach Rehburg/Loccum. Sehr nett und freundlich wurde ich im Torhaus von Loccum empfangen und mir wurde der Weg zur Pilgerunterkunft im Kloster gewiesen. Hier bekam ich auch den ersten Stempel in meinen Pilgerpass. Am Abend fand eine Abendandacht um 18.00 Uhr statt (Hora) in der ich den Pilgersegen empfing. Nach einer Nacht in der mir immer wieder der Weg durch den Kopf ging, brach ich frühzeitig auf. Durch einen kühlen Wald ging es nach Pollhagen, über den Mittellandkanal und dann nach Stadthagen. Es war inzwischen sehr heiß geworden und ich war froh in Wendhagen einzutreffen, wo ich übernachten durfte. Am nächsten Morgen ging es auf den Bückeberg. Hier kann man millionenjahre alte Dinosaurierspuren bewundern, die dort versteinert sind.
Weiter ging es über das Damenstift Fischbeck mit seiner wunderschönen alten Stiftskirche nach Hameln. Hier nahm ich mir einen Tag „Auszeit“, um die Weserrenaissance zu bewundern. Viele alte Häuser, wie das Leisthaus, das Rattenfängerhaus, die Münsterkirche St. Bonifacius, das Hochzeitshaus mit dem Glockenspiel konnten angesehen werden. Unsere Unterkunft war sehr zentral gelegen, direkt neben der Münsterkirche. Hier traf ich auch meinen Mitpilger Norbert, einem Lehrer aus Königswinter, der mich eine Woche auf diesem Pilgerweg bis Bursfelde begleitete. Von Hameln brachen wir früh auf und über die Hämelschenburg ging es nach Lüntorf, einem Ortsteil der Gemeinde Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont. Es war sehr heiß und in Lüntorf erwartete uns eine kleine, kühle Kirche, welche einen Flügelaltar aus dem Jahre 1520 hat. Wie froh war man, wenn sogar für müde Pilger kleine Flaschen mit Mineralwasser vorhanden waren. Am nächsten Morgen bekamen wir nach dem Frühstück von unserer Herbergesmutter ein Segnungsbändchen mit einem persönlichen Segen an das Handgelenk gebunden, welches ich heute noch (nach einem Jahr) trage.
Weiter ging die Pilgertour nach Bodenwerder, der Stadt des Frh. Hieronymus C.F. von Münchhausen. Hier waren einige Skulpturen, ein Brunnen und ein Museum des Münchhausen’s anzusehen. Von Bodenwerder ging es weiter über den Ebersnacken, der höchsten Erhebung des Voglers (460m) zum Kloster Amelungsborn, einem Zisterzienserkoster bei Stadtoldendorf. Dieses alte Kloster blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück und ist heute eine geistliche Körperschaft in der Ev. Landeskirche von Hannover. Hier fanden wir auf der Rückseite des Chorgestühl’s den hl. Jakobus, unseren Pilgerpatron. Weiter führte unser Weg uns nach Stadtoldendorf und dann ins kleine Dörfchen Schorborn. Hier stand ein Cafe offen und ich fragte nach, wer dieses betreiben würde. Bald schon waren wir im Gespräch mit Mitarbeitern des „Neuen Landes“, welche sich um Drogenabhängige aus Hannover kümmern. Es entwickelte sich ein tiefgründiges Gespräch über diese Arbeit und über den Glauben an Gott. Über Silberborn mit seinem unter Naturschutz stehendem Hochmoor ging es weiter nach Uslar. Hier übernachteten wir in einem Hofgut, was sicherlich alternativ lebenden Menschen sehr zugesagt hätte. Da diese weniger mein Stil war, war ich froh, am nächsten Morgen weiter zum Kloster Bursfelde aufbrechen zu können. Leider übersahen wir eine Abzweigung und so wurde dieser Weg doch recht lang. Wir pilgerten an der Weser entlang bis Kloster Bursfelde. Hier wurden wir dann besonders liebenswürdig empfangen.
Die Herbergseltern gaben sich alle Mühe, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Um 18.00 Uhr nahmen wir auch an der Abendandacht teil. Über Dransfeld ging es dann weiter in Richtung Friedland. Zwischen Bursfelde und Dransfeld begann dann jedoch der „große Regen“. In Imbsen suchten wir Schutz vor dem Regen in einer Kirche. Wir waren nun alleine in der Kirche und stimmten die Kirchenlieder an, die wir kannten und sangen so zum Lobe Gottes manches Lied. In Dransfeld, in der Herberge, konnten wir uns dann trocknen, doch es regnete weiter und völlig durchnässt und durchgefroren kam ich in Friedland an, doch der Ort hatte selbst unter der Überflutung der Unstrut zu leiden. Meine Unterkunft hatte ebenfalls Wasser im Keller und alles musste gereinigt werden. Viele, sehr viele dunkelhäutige Menschen traf ich in der Umgebung des Durchgangslagers Friedland. Am nächsten Tage ging es im Regen nach Reiffenhausen und dann über die ehemalige Deutsch-Deutsche Grenze (heute Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Thüringen) nach Rustenfelde im Eichsfeld. Hier befand ich mich dann in Thüringen. Das Eichsfeld ist eine Enklave des Hochstifts Mainz, ist also stark röm.-kath. geprägt. Selbst in der Zeit der DDR hielten die Eichsfelder fest an ihren Glauben. In Rustenfelde trat zwei Tage zuvor der Rustenbach weit über die Ufer und schoß ca. 3m über der normalen Höhe durch den kleinen Ort. Mit Tränen in den Augen berichtet mir eine alte Dame, dass in ihrem Wohnzimmer das Wasser 1,5m hoch gestanden habe. Möbel, Holz, elektrische Geräte lagen auf der Straße und mussten beseitigt werden. Ein junger Feuerwehrmann kam bei dem Rettungseinsatz zwei Tage zuvor um’s Leben.
In Heiligenstadt, suchte ich die schöne St. Martin Kirche auf und in der Fußgängerzone fand ich eine Gedenktafel für die Gebrüder Grimm. Weiter ging es von Heiligenstadt aus durch eine Schrebergartensiedlung nach Geisleben und Heuthen. Beide Orte hatten wunderschöne barocke Kirchen. Über die Wasserscheide zwischen Weser und Unstrut (480m), vorbei an der Wallfahrtskirche St. Cyriakus ging es zu einer der Quellen der Unstrut nach Kefferhausen und dann weiter nach Dingelstätt. Der Weg von Dingelstätt nach Mühlhausen wurde für mich zum Märtyrium. Da mich eine Arthrose in der linken Hüfte plagte, nahm ich jeden Tag Schmerztabletten, die jedoch in ihrer Wirkung nachließen. Humpelnd suchte ich die Kirche von Ammern auf und genoss die Ruhe und die Schönheit dieses alten Gotteshauses. Weiter ging es humpelnd nach Mühlhausen und zu meiner Unterkunft direkt neben der Marienkirche. Am nächsten Tag hatte ich einen Ruhetag vorgesehen, was sich auch als sehr gut herausstellte. Einige Kirche in Mühlhausen werden heute als Museum genutzt und so besuchte ich in der Marienkirche die Dauerausstellung über Thomas Münzer (Zeitgenosse von Martin Luther), in der Kornkirche die Ausstellung über den Deutschen Bauernkrieg 1525, die Divi Blasii Kirche in der Joh. Sebastian Bach als junger Mann gewirkt hat und den alten Stadtmauerring mit seinen kleinen Museen. Dieser Tag hat mir sehr gut getan. Am nächsten Morgen ging ich auf der letzten Etappe zum Kloster Volkenroda. Der Weg führte über Görmar an der Unstrut entlang, dann über Grabe den „Eselsstieg“ hinauf nach Volkenroda. Hier übernachtete ich in einer Pilgerherberge im Kloster. Der Christuspavillon, der auf der Expo 2000 in Hannover stand, ist im Kloster Volkenroda wieder aufgebaut worden. Dieser Pavillon, der sehr modern ist, strahlt doch eine große Ruhe und Nähe zu Gott aus. Die Mischung zwischen diesem modernen Pavillon und dem alten Kloster ist sehr schön und sehenswert. Abends durfte ich in einem kleinen Kreis an einer Feier zum Sonntag teilnehmen. Am nächsten Tag ging es dann mit der Bundesbahn von Mühlhausen über Kassel/Wilhelmshöhe nach Hagen und Brügge.
Abschließend kann ich sagen, dass dieser Pilgerweg zwischen den beiden Klöstern Loccum/ Niedersachsen und Volkenroda/Thüringen sehr abwechslungsreich ist. Viele gute Gespräche durfte ich führen. Eine große Offenheit habe ich angetroffen und noch lange wird dieser schöne Pilgerweg in mir nachklingen.
Karl-Heinz Bartsch