Aber verrückte Zeiten verlangen verrückte Taten und so habe ich den Pilgerweg in Volkenroda (Thüringen) begonnen und in Loccum nach ca. 320 km beendet.
Aber von Anfang an…
Gepilgert bin ich den Weg schon einmal, jedoch von Loccum aus, über Stadthagen, Hessisch Oldendorf, Hameln, Stadtoldendorf, dem Solling, Uslar bis Dransfeld. Unterwegs aber hatte ich große Probleme mit meinem rechten Fuß bekommen und so musste ich die Pilgerreise leider abbrechen.
Für mich war damals (vor 13 Jahren) jedoch schon klar, dass ich diese Reise entweder noch beenden oder aber noch einmal komplett absolvieren würde, nur vielleicht etwas anders.
Vor zwei Jahren habe ich mir das Einrad fahren selbst beigebracht, habe verschiedene Tricks gelernt und mir später ein Municycle (Bergeinrad) gekauft. Mit diesem Rad ist es auch möglich, die schwierigsten Strecken und Untergründe zu fahren. Die Touren im Wald wurden immer länger und anspruchsvoller und mittlerweile macht mir auch steileres bergauf - und bergabfahren nicht mehr viel aus. Also die perfekte Voraussetzung, um eine längere Tour in Anspruch zu nehmen.
Und so bin ich am Fr. 26.06. mit dem Zug nach Mühlhausen (Thüringen) aufgebrochen, um dort mit dem Bus zum 25 min. entfernten Kloster Volkenroda zu gelangen. Dort ist mein erster Anlaufort die Klosterpforte, wo sich die Mitarbeiterinnen gleich überrascht sehen, wie jemand auf die Idee kommt, den Pilgerweg mit einem Einrad und Gepäck zurückzulegen. Auch nach dem Mittagsgebet in dem Christus-Pavillon werde ich wieder auf mein Vorhaben angesprochen und abschließend mit den Worten,- "Bleiben Sie behütet mit Gottes Segen" verabschiedet. Im Anschluss besuchte ich die tausendjährige Eiche und um die Reise endgültig zu beginnen, das Pilgerdenkmal am höchsten Punkt des Klosters. Hier steht eine Skulptur auf vier Säulen, geöffnet noch Loccum hin, die andere Hälfte in Loccum auf drei Säulen offen in Richtung Volkenroda. Nun kann es losgehen, wie schon im Jahre 1163, als dort damals Mönche aufbrachen, um ein neues Kloster zu begründen.
Wohlwissend was da in etwa vor mir liegt, steige ich mit all meinen Habseligkeiten auf ´s Rad und fahre los. Outdoormäßig gut vorbereitet, aber doch minimalistisch ausgerüstet trete ich in die Pedale, denn jedes Kilo zusätzlich könnte mir große Probleme bereiten, da bin ich mir sicher.
Das schönste am Pilgern sind die Gespräche mit anderen Menschen und das „zu sich“ kommen.
Und so geht der Weg über Dingelstädt, Heiligenstadt, Friedland und Dransfeld.
Mein Weg führte dann weiter über Bursfelde (auch Kloster) in Richtung Uslar. Das Kloster Bursfelde ist aus meiner Richtung über einen Waldweg zu erreichen, der sich ziemlich zieht, und auch einige Steigungen für Wanderer und Radfahrer bereithält. Dort angekommen, betrete ich die große Kirche und lasse sie auf mich wirken. Es scheint aber auch hier durch Corona etwas ruhiger zuzugehen und auch nicht alles so offen zu sein, wie in normalen Zeiten. Ab jetzt wird die Weser mein ständiger Begleiter sein. Ich fahre weiter nach Uslar, und habe in der dortigen Kleinstadt einige Probleme auf dem Pilgerweg zu bleiben. Von dort geht es aber dann weiter nach Neuhaus, wo ich eine alte Bekannte besuche und wir uns voller Freude in die Arme schließen. Es gibt viel zu erzählen und dabei merke ich, wie wichtig diese Offenheit ist und auf die Menschen zuzugehen, es öffnet immer wieder Türen und Herzen.
Wir verabschieden uns nach etwa 2 Stunden und es geht nun weiter über Silberborn durch den Solling. Ein riesiger Wald der für mich als Einradfahrer einiges an Anspruch bereithielt. Dann weiter nach Stadtoldendorf, wo mir die Mitarbeiterin einer Bäckerei von ihrer Hochzeit und dem Heiratsantrag ihres künftigen Mannes im Kloster Amelungsborn erzählte. Weiter gings nach Bodenwerder und Grohnde, wo ich direkt an dem Campingplatz "Grohnder Fährhaus" mein Lager aufschlug. Dort bereitete mir mein Platznachbar und Kanufahrer Tobias Bratkartoffeln und ein Bier, wir verstanden uns auf Anhieb. Am nächsten Morgen gings weiter an der Weser herunter Richtung Hameln, Hessisch Oldendorf und dann Stadthagen, wo ich am späten Abend bei Dauerregen noch eine Pension für die letzte Nacht meiner 6-tägigen Reise bezog. Am nächsten Mittag wurde ich im Kloster Loccum wie auch zuvor in Amelungsborn mit einem Läuten der Kirchenglocken gegrüßt und somit war die Euphorie umso größer, als ich auf meinem Einrad durch den Torbogen auf die Kirche zufuhr. Loccum hatte mich wieder und ich war um so viele Erfahrungen und tolle Bekanntschaften reicher geworden.
Während meiner ganzen Reise ist mir kein einziger Pilger begegnet, jedoch auf meinem Heimweg von Loccum nach Rehburg traf ich ein Pilgerpaar, die von Hamburg über Mariensee nach Loccum unterwegs waren, 240 km nur mit Rucksack. Die Frau war Pastorin i. Ruhestand und ihr Mann wurde ein paar Tage später 81 Jahre, Hut ab…ich war definitiv sehr beeindruckt.
Wieder zu Hause angekommen, war meine Familie sehr froh, mich platt aber glücklich wieder in ihre Arme schließen zu können.
Sonnige Grüße und immer ein offenes Herz
Karsten Jonasson